2023 – Martin Frauenheim

Martin Frauenheim wurde zum 57. Kavalier der Lüfte gewählt

mit einem Vortrag von Harald Meyer, Oberstleutnant a.D. der Luftwaffe


v.l.n.r.: Harald Meyer, Norbert Lautner, Martin Frauenheim (Kavalier der Lüfte 2023), Dr. med. Peter Krupp und Horst Rüdiger. Foto: Fred Vosteen


Ganderkesee Am Freitag, 6. Oktober 2023 konnte Dr. med. Peter Krupp, Sprecher des Verleihungsausschusses „Kavalier der Lüfte” im Airfield Hotel & Restaurant auf dem Flugplatz in Ganderkesee über 40 Flieger und luftfahrtinteressierte Gäste aus Norddeutschland begrüßen.

Alljährlich wird im Rahmen eines traditionellen Fliegerabends eine Person, die sich in der Fliegerei verdient gemacht hat, mit der Ernennung zum „Kavalier der Lüfte“ geehrt. Dem jeweiligen Kavalier der Lüfte wird der vom berühmten Kunstflieger und Flugzeugbauingenieur Gerd Achgelis (*16. Juli 1908 in Golzwarden, † 18. Mai 1991 in Hude) gestiftete Wanderpreis „Huder Mönch“ überreicht.


Die Verleihung des Wanderpreises „Huder Mönch”

In seiner Laudatio stellte der ehemalige Kavalier der Lüfte Norbert Lautner den neuen „57. Kavalier der Lüfte” 2023 vor. Lautner sagte: „Für die hohe Auszeichnung ,Kavalier der Lüfte’ war in diesem Jahr Martin Frauenheim aus einer großen Vorschlagsliste ausgewählt worden.


Martin Frauenheim – der neue Kavalier der Lüfte

Norbert Lautner, selbst „Kavalier der Lüfte” 2016 und Mitglied des Verleihungsausschusses, sagt weiter zur Wahl von Martin Frauenheim: „Sein großes Engagement für die Fliegerei und besonders sein Wissen und seine zahlreichen Bücher und Vorträge als Luftfahrt- und Raketenhistoriker zeichnen ihn aus”. Vorgeschlagen zur Ehrung haben wir unseren neuen „Kavalier der Lüfte” besonders aber wegen seiner Liebe zu allem, was irgendwie fliegt, wegen seiner Kameradschaftlichkeit und seinem unermüdlichen, vielseitigen Bemühen für die allgemeine und kleine Fliegerei.

In den einst von Gerd Achgelis aufgestellten Statuten steht zu lesen: „Dieser Preis wird gestiftet, um die fliegerische Moral und Disziplin zu fördern und zu erhalten”… „Die für die Ehrung in Aussicht genommene Persönlichkeit soll charakterlich und kameradschaftlich qualifiziert sein”. All diese hohen Eigenschaften verbinden wir mit dem neuen „Kavalier der Lüfte” 2023, Martin Frauenheim.

Der 76-Jährige „Kavalier der Lüfte” Martin Frauenheim aus Hagen am T.W. sagt über sich: „Es sind Erinnerungen an meine beiden Brüder, einer ist begeisterter Taucher und Unterwasserfotograf geworden. Unsere Mutter hatte immer den Spruch: „Ich werde noch mal verrückt, einer geht in die Luft, der andere ins Wasser, der Jüngste ist der einzige Vernünftige, der läuft normal auf dieser Erde!”

Nach dem Schulbesuch und einer anschließenden Ausbildung als Maschinenschlosser im Stahlwerk Georgsmarienhütte (1963-1966) besuchte Frauenheim die Technikerschule in Abendform.

In seiner Privatzeit engagierte sich Frauenheim in der kirchlichen Jugendarbeit und er übernahm Verantwortung in politischen Ämtern. Letztendlich war er noch über zwölf Jahre ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Hagen.


Frauenheim entdeckt die Himmelsschreiber

Die Fliegerei hat mich bereits in Jugendjahren interessiert und begeistert. Alles, was zivil und militärisch in der Luft zu sehen war, wurde von mir aufmerksam beobachtet. Hier sind besonders die Beobachtungsflugzeuge, wie die Pa 18 oder die Canberra vom Flugplatz Gütersloh, wenn sie knapp in Baumwipfelhöhe über uns hinwegflogen, in Erinnerung geblieben. So blieb es nicht aus, dass ich Stammgast auf fast allen Flugtagen in Osnabrück, Münster oder Telgte war, sagt Martin Frauenheim.


 

Frauenheims Ehefrau legte den Grundstein für die Fliegerei

Im Jahr 1971 wurde geheiratet. Es gab keine traditionelle Hochzeitsreise, aber dafür haben wir im Umkreis ein halbes Dutzend Flugplätze besucht.

Dann kam von meiner Frau die alles entscheidende Frage: „Würdest Du Dir das auch zutrauen?” Tags darauf die Anfrage und Anmeldung auf der Atterheide (Der Flugplatz Atterheide ist ein Verkehrslandeplatz im Osnabrücker Stadtteil Atter in geringer Entfernung zur niedersächsisch-nordrhein-westfälischen Landesgrenze). Ebenso faszinierte mich der Flugmodellbau und daraus ist eine stattliche Sammlung von rund 1000 Modellen geworden – „wenn man schon kein eigenes Flugzeug besitzt”, sagt Martin Frauenheim.

Im Jahre 1972 erfolgte der Einstieg in die aktive Fliegerei auf der Atterheide und bis zum heutigen Tage lebe ich dieses Hobby und die Leidenschaft, sagt Martin Frauenheim. In einem Rückblick berichtet der neue Kavalier der Lüfte:  „Rund 10.000 Personen habe ich in die Luft gebracht. Hauptsächlich habe ich die Cessna 172 geflogen, dazu die C150, die C152 sowie die Piper Pa 28.

Mittlerweile sind bei Martin Frauenheim über 2740 Flüge und 1350 Stunden zusammengekommen. Frauenheim sagt: „Eine besondere Anekdote aus dem Fliegerleben ist, dass ich rund zwölf Jahre den fliegenden Nikolaus spielen durfte”.

Alle diese besonderen Eigenschaften und Verdienste blieben nicht unentdeckt. Am 28. März 2017 wurde Martin Frauenheim das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen für sein vorbildliches Engagement im Rahmen der Kommunalpolitik, der deutsch-polnischen Partnerschaft sowie der geschichtlichen Aufarbeitung des Luftkriegs im Zweiten Weltkrieg.


Ein Haus voller Dokumente

Martin Frauenheim berichtet: „Zwei besondere geschichtliche Persönlichkeiten in der Luftfahrt Osnabrücks sind der berühmte „Sturz- und Schleifenflieger” Gustav Tweer und der frühere Raketenpionier Ingenieur Reinhold Tiling.”


Der Ingenieur und Raketenpionier Reinhold Tiling

Es ist Reinhold Tiling (* 13. Juni 1893 in Absberg, Franken; † 11. Oktober 1933 in Osnabrück), dem Martin Frauenheim in den letzten Jahrzehnten einen Großteil seiner Forschungsarbeiten gewidmet hat. 1926 wurde Tiling Flugleiter des Osnabrücker Flughafens Netter Heide. Vermutlich inspiriert durch Hermann Oberths Buch „Die Rakete zu den Planetenräumen” begann er 1924, sich der Raketentechnik zuzuwenden und startete 1928 seine ersten Experimente mit Raketen. Tiling entwickelte wiederverwendbare Raketenflugzeuge, die als Rakete starten und mit ausklappbaren Flügeln landen sollten.


188 Postkarten sicher befördert

Der Durchbruch gelang Tiling am 15. April 1931 auf dem Ochsenmoor am Dümmer mit dem ersten Start einer Postrakete, die 188 Postkarten sicher beförderte. Er war mittlerweile in ganz Deutschland berühmt und zeigte seine Raketen bei vielen öffentlichen Flugvorführungen, unter anderem auch im Juni 1931 auf der Alexander Heide, dem späteren NATO Flugplatz, in Oldenburg. Am 21. August 1932 führte Tiling vor 4000 Zuschauern auf dem Flugplatz Osnabrück-Atterheide einen Flugtag zur Präsentation der von ihm entwickelten Raketen durch.

Bei Vorbereitungen zu einer Vorführung kam es am 10. Oktober 1933 in seiner Werkstatt auf Schloss Arenshorst vermutlich durch Überhitzung beim Pressen des Pulvers zum Füllen einer Rakete zu einer Explosion. Reinhold Tiling, seine Assistentin Angela Buddenböhmer und sein Mechaniker Friedrich Kuhr erlitten dabei schwerste Verbrennungen, denen sie trotz Behandlung am folgenden Tag erlagen.

Die Überreste der damaligen Werkstatt sind immer noch bei dem Schloss Arenshorst in Bohmte erhalten. Eine Gedenktafel erinnert an das Wirken von Reinhold Tiling”.


Enger Kontakt zur Familie Tiling

Martin Frauenheim berichtet: „Zu der Familie des Raketenpioniers Reinhold Tiling hatte ich einen sehr engen Kontakt. Mit dem bereits früh verstorbenen Sohn Klaus Tiling habe ich ein Buch mit dem Titel „Raketenpionier Reinhold Tiling” herausgebracht. Zwischenzeitlich erhielt ich auch das gesamte historische Material der Familie Tiling einschließlich noch vorhandener Raketen-Modelle”.

Frauenheim berichtet: „Großes Interesse fand bei mir die Luftfahrtarchäologie, das war zunächst die Aufklärung von Abstürzen deutscher und alliierter Flugzeuge, darunter Agentenflugzeuge.

In den letzten Jahren folgten zahlreiche Veröffentlichungen sowie Vorträge über Raketenpioniere.

Nach einem kurzen Rückblick sagt Martin Frauenheim: „Wenn ich heute die hohe Auszeichnung „Kavalier der Lüfte” bekommen habe, ist es auch das Verdienst meiner Frau Irmgard, die mir in so vielen Situationen den Rücken freigehalten hat und auch meine Begeisterung und Leidenschaft für alles was fliegt, mit mir teilt”.

Die Mitglieder des Verleihungsausschusses Dr. med. Peter Krupp, Norbert Lautner und Horst Rüdiger überreichten dem neuen „Kavalier der Lüfte” 2023 Martin Frauenheim die Fliegerspange in Gold und den Wanderpreis „Huder Mönch“.


 

Harald Meyer: Ein erfahrener Jagdflieger referierte über „Helden der Luftwaffe”

Ludger Hölker ein Vorbild nicht nur für die Luftwaffe

Für den Verleihungsausschuss ist es eine lange Tradition, dass dieses gesellschaftliche Ereignis mit einem Vortrag aus der Thematik der Luftfahrt begleitet wird. Für den diesjährigen Fliegerabend hatte der Verleihungsausschuss um Dr. med. Peter Krupp den 70-Jährigen Oberstleutnant a.D. der Luftwaffe und Luftfahrthistoriker Harald Meyer aus Fürstenfeldbruck gewinnen können.

Einleitend berichtete der gebürtige Niedersachse Harald Meyer von seinen Erlebnissen als Flugschüler in Fürstenfeldbruck. Die Luftwaffe hatte einen hohen Bedarf an Jetpiloten und dementsprechend war Fürstenfeldbruck („Fursty”) traditionsreicher Standort eines der wichtigsten Ausbildungsgeschwader. Nach diversen Auswahltests durfte Meyer im Cockpit der Piaggio 149 D Platz nehmen und seine ersten Starts und Landungen absolvieren.

Seine weitere Ausbildung führte Harald Meyer (sein Spitzname „Meyer the Flyer”) zur Sheppard Air Force Base in Texas. Meyer wurde Lehrgangsbester und konnte sich seinen zukünftigen Jet, mit dem er fliegen wollte, selbst aussuchen. Seine Wahl fiel auf die Fiat G 91.

Seinen letzten Flug absolvierte er 1995 mit einer Phantom F-4F als stellvertretender Kommandeur im Jagdgeschwader 71 „Richthofen” in Wittmund.

Nach dem Ende als Luftwaffenpilot arbeitete Harald Meyer noch viele Jahre weiter und bildete zukünftige Flugzeugführer in Theorie und Praxis aus.


 

Harald Meyer sagt in seinem knapp 50 minütigen Vortrag über Ludger Hölker:

Ludger „Lutz“ Hölker 1934-1964. Geboren wurde Ludger Hölker am 26. April 1934 in Billerbeck (Kreis Coesfeld). Als Flieger OA (Offizieranwärter) trat er am 16. April 1958 in die Bundeswehr ein. Am 1. Oktober 1959 wurde er zum Leutnant befördert. Die Ausbildung zum Strahlflugzeugführer absolvierte er von Januar 1960 bis Juli 1961 auf der Lackland Air Force Base in Texas/USA. In der Ersten Staffel des Jagdbombergeschwader 32 in Lechfeld (den späteren 321 Lechfeld Tigers) wurde er als Einsatzpilot auf dem einsitzigen Kampfflugzeug vom Typ Republic F-84 F »Thunderstreak« eingesetzt. Zusätzlich flog er noch das Trainingsflugzeug T-33A. Auf diesem Muster besaß er aufgrund seiner guten fliegerischen Fähigkeiten zusätzlich eine Berechtigung zur Überprüfung von Luftfahrzeugführern. Obwohl er als Pilot der Luftwaffe zwei Flugzeugmuster flog und dienstlich ausgelastet war, besuchte er nebenher Abendkurse, um das Abitur nachzuholen. Dazu kam es durch seinen tödlichen Absturz nicht mehr.

Gerade einmal 35 Tage war Ludger Hölker verheiratet, als der tödliche Flugunfall schlagartig alles veränderte.


Der tödliche Unfall

Am 15. September 1964 startete Oberleutnant Ludger „Lutz” Hölker als verantwortlicher Luftfahrzeugführer mit einer T-33A vom Fliegerhorst Lechfeld zusammen mit dem 42-Jährigen Major Walter Sütterlin zu einem Übungsflug.

Die einstrahlige Lockheed T-33A war als erstes Düsenflugzeug der Bundesluftwaffe von 1956 bis Anfang 1975 im Einsatz. Die Bundeswehr beschaffte 192 Maschinen als Schulungsflugzeug, die von Piloten auch „T-Bird” genannt wurden.

Major Walter Sütterlin sollte einen Instrumentenflug absolvieren. Nach einer Flugzeit von ca. 1:20 Stunde registrierte Major Walter Sütterlin in 1000 Meter Höhe einen Leistungsverlust des Triebwerks. Oberleutnant Hölker übernahm wieder die Führung des Flugzeugs. Die Maschine verlor immer mehr an Höhe, so dass der Rettungsausstieg unvermeidbar wurde. Trotz Aufforderung zum Notausstieg von Major Sütterlin setzte Oberleutnant Hölker mit der Antwort „Noch nicht! Erst müssen wir über die Häuser weg!” den Flug fort, um zuerst das Werksgelände der Farbwerke Hoechst in der Nähe von Bobingen südwestlich von Augsburg mit mehreren tausend Mitarbeitern und die Häuser der Ortschaft Straßberg mit knapp 1000 Einwohnern, zu überfliegen. Erst kurz vor dem nordöstlichen Ortsrand von Straßberg betätigten die beiden Piloten, rund 100 m über Grund, ihre Schleudersitze. Wegen der zu geringen Höhe konnte sich der Rettungsschirm nicht mehr richtig entfalten. Die T-33 schlug 200 Meter vom Ortsrand entfernt in einen Hochwald auf und wurde durch Aufschlagsbrand völlig zerstört.

Während Major Sütterlin am Fallschirm hängend durch die Baumkronen fällt und dabei verletzt wurde, schlug Oberleutnant Hölker mit voller Wucht gegen einen Baum, wobei er sich durch Äste schwerste Unterleibsverletzungen zuzog.

Beide Piloten wurden ins Krankenhaus nach Schwabmünchen gebracht, wo Ludger Hölker rund drei Stunden nach dem Absturz im Alter von 30 Jahren verstarb.

Zwei Tage nach dem Flugunfall veranstaltete das JaboG 32 auf dem Fliegerhorst Lechfeld zu Ehren des verstorbenen Luftfahrzeugführers Oberleutnant „Lutz” Hölker eine Trauerfeier und schon am 25. September 1964 beschloss der Gemeinderat von Straßberg einstimmig, eine Straße in der Nähe der Unfallstelle nach Oberleutnant Ludger Hölker zu benennen.

Nachdem im Sommer 1977 die Offizierschule der Luftwaffe von Neubiberg nach Fürstenfeldbruck umgezogen war, wurde im weiterem Gedenken das neue Auditorium Maximum der Offizierschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck auf „Ludger-Hölker-Saal” getauft.

In den folgenden Jahren erinnern weitere Straßennennungen, Gedenksteine und Gedenktafeln an Ludger Hölker. Am 8. Oktober 2010, als krönender Abschluss, wurde sogar die Schule in Straßberg in „Ludger-Hölker-Grundschule” umbenannt.

Oberleutnant Ludger Hölker hatte in Ausübung seines Flugdienstes in einer kritischen Situation eine Entscheidung gefällt, die vielen Menschen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit das Leben rettete. Sein Entschluss, erst dann sein Flugzeug mit dem Schleudersitz zu verlassen, musste er mit dem Leben bezahlen. Er dient somit auch heute noch den Offizieren und vor allem jungen Offiziersanwärtern der Luftwaffe als Vorbild.


Öffentlichkeitsarbeit Kavalier der Lüfte:
Fred Vosteen, 07. 10. 2023