Lufthansa Kapitän a.D. Dieter Krauss zum 53. Kavalier der Lüfte ernannt
Als frischgebackener Pilot durfte ich im Cockpit der Super Constellation von heute auf morgen mein Fernweh stillen
Am 25. Oktober 2019 trafen sich 66 Piloten und Freunde der Fliegerei zum traditionellen Fliegerabend in Hude.
Die diesjährige Veranstaltung fand erstmals im Nordenholzer Hof statt. Alljährlich wird im Rahmen dieser Veranstaltung eine Person, die sich in der Fliegerei verdient gemacht hat, mit der Ernennung zum „Kavalier der Lüfte“ geehrt. Dem jeweiligen Kavalier der Lüfte wird der vom berühmten Kunstflieger und Flugzeugbauingenieur Gerd Achgelis (*16. Juli 1908 in Golzwarden, † 18. Mai 1991 in Hude) gestiftete Wanderpreis „Huder Mönch“ überreicht.
Im Anschluss an die Begrüßungsworte, vorgetragen von Dr. med. Peter Krupp, kündigte Norbert Lautner (selbst Kavalier der Lüfte 2016) den diesjährigen Referenten, Flugkapitän a D. Dieter Krauss, aus Hamburg an.
„Didi”, wie ihn seine Freunden nennen (geboren am 24. April 1935 in Künzelsau, Baden-Württemberg), beginnt seinen Vortrag mit den Worten:
„Während des Zweiten Weltkrieges wohnten wir ca. einen Kilometer entfernt vom Luftwaffeneinsatzhafen der Me 262 und später auch der He 177 in Schwäbisch Hall-Hessental. Dieser Platz wurde nach der Einnahme durch US-Truppen sofort wieder für Nachschubflüge genutzt. Durch diese Erlebnisse und die Eindrücke wurde mein Wunsch, Verkehrsflugzeugführer zu werden, entscheidend geprägt. Die Frage, die sich mir stellte, war, wie finde ich einen entsprechenden Ausbildungsplatz.
Durch kuriose Fügung stieß ich auf dem wohl denkbar außergewöhnlichsten Ort für Berufsplanung, dem „Stillen Örtchen“, auf eine Annonce, abgedruckt auf zeitgenössischem Toilettenpapier: „Anwärter für Fluglotsen gesucht”
Mein Start ins Berufsleben zum Fluglotsen erfolgte mit der Ausbildung am Flughafen München-Riem und der Anstellung in Stuttgart-Echterdingen. Dieser Flugplatz wurde halb zivil und halb von der US Army genutzt. Ich erinnere mich, dass ich damals der jüngste deutsche Fluglotse war. Durch den Anblick der startenden und landenden Verkehrsflugzeuge verdichtete sich mein Wunsch, selbst zu fliegen, und frei nach dem Motto: „Träume nicht dein Leben – lebe Deinen Traum – nur Fliegen ist schöner”, war mein weiterer Berufsweg vorbestimmt. Nach bestandener Aufnahmeprüfung ging es 1958 endlich auf die Verkehrsfliegerschule nach Bremen.
Nach meiner Ausbildung zum Piloten durfte ich 1960 als Co-Pilot auf dem Flaggschiff der damaligen Zivil-Luftfahrt, der Super-Constellation der Firma Lockheed, erstmals im Cockpit Platz nehmen. Didi Krauss schwärmt noch heute von der Super-Constellation und sagt: „Sie ist für mich auch heute noch der eleganteste Airliner”.
Zur Besatzung der Super-Constellation (Pilot, Co-Pilot und Flugingenieur) zählte neben einem Funker auch ein Navigator. Der Navigator konnte mittels eines Sextanten, der durch die Decke im Cockpit nach außen geführt wurde unsere Position bestimmen.
Didi Krauss erinnerte sich noch an seinen ersten Flug, der ihn mit zahlreichen Zwischenstopps bis nach Rio de Janeiro führte. Der Flug führte auf den Südatlantik hinaus mit Kurs auf Rio. Oft standen Reihen von Gewittern vor der Küste und ein Wetterradar gab es zu dieser Zeit ja noch nicht. Über 30 Stunden waren wir damals unterwegs.
Heute wird die Strecke Nonstopp mit einem Jumbo Jet in knapp 12 Stunden geflogen. Als Jugendlicher waren für mich Kontinente wie Amerika oder Asien unerreichbar gewesen. Doch als frischgebackener Pilot durfte ich nun von heute auf morgen mein Fernweh stillen und lernte entfernte Kontinente kennen.
Anfang der 60er Jahre verlief die Flugzeugentwicklung in großen Sprüngen – die Boeing 707 wurde nun das neue Flaggschiff der Lufthansa. Sie flog doppelt so schnell, doppelt so hoch, mit der doppelten Anzahl Passagieren im Vergleich zur Super Constellation und ging ab wie eine Rakete, schwärmt Didi Krauss, der als Erster Offizier gleich bei der Indienststellung im Cockpit saß. Didi erinnert sich, dass mit der „Düse” die Flieger noch einmal sicherer wurden. Er selbst brauchte während seiner gesamten fliegerischen Laufbahn niemals ein aus sich heraus defektes Triebwerk abstellen. Nur einmal wegen Vogelschlag erinnert sich Didi, als er Anfang der 70er Jahre mit der 707 Hilfsgüter nach Lahore in Pakistan fliegen sollte. Ein für Didi kaum erwähnenswerter Vorfall ereignete sich auf dem Flug von Australien nach Singapur. Das Bugfahrwerk wollte nicht ausfahren. Doch das war kein dramatisches Ereignis, denn kurzerhand kletterte ein Crewmitglied in den sogenannten „Keller“ unter dem Cockpit, um das Bugrad von Hand heraus zu kurbeln. Einzig ein hochrotes Gesicht und ein durchgeschwitztes Hemd zeugten vom kräftezehrenden Einsatz. Die Landung erfolgte ohne Probleme unter dem Beifall der am Flugfeld wartenden Techniker, erinnert sich Didi Krauss.
Im Jahre 1967 wurde ich während meines Einsatzes auf der zweimotorigen Convair Metropolitan zum Kapitän befördert. Ab 1968 flog ich die Boeing 737, ab 1971 die 707, ab 1976 die DC-10 und schließlich den Jumbo, die Boeing 747-200, als krönenden Abschluss meiner beruflichen Laufbahn bei der Lufthansa.
Schöne Erlebnisse ergaben sich während der vielen Flüge. Einer dieser Flüge führte mich Mitte der 80er Jahre wieder einmal nach Südamerika. Eine Stewardess fragte, ob Mitglieder des Formel-1-Rennstalls mal kurz nach vorne ins Cockpit dürften. Die Sicherheitsvorschriften waren damals noch etwas lockerer als heute. Wenig später schauten uns die bekannten Formel-1-Rennfahrer über die Schulter. Zwischen uns entwickelte sich eine nachhaltige Freundschaft, und auch wir Piloten durften später die Rennfahrer in den Boxen an den Rennstrecken besuchen.
Unvergessen für mich ist, dass ich zum Ende meiner beruflichen Fliegerlaufbahn, von 1986 bis ins Jahr 2000 in einem der schönsten historischen Flugzeuge, der 1986 restaurierten Ju 52, als Flugkapitän im Cockpit gesessen habe. Weitere schöne Erlebnisse durfte ich an Bord einer amerikanischen Catalina erleben. Die Consolidated PBY „Catalina” war ein zweimotoriges Seeaufklärungsflugzeug des US-amerikanischen Herstellers Consolidated Airkraft von 1935 bis 1945. Aufgrund der großen Reichweite – die „Catalina“ konnte bei 200 km/h fast 24 Stunden in der Luft bleiben – war die PBY für die Fernaufklärung und die Sicherung von Geleitzügen geeignet. Es war auch die Catalina, die am 26. Mai das deutsche Schlachtschiff Bismarck sichtete. Die Bismarck versank einen Tag später etwa 550 Seemeilen (etwa 1000 Kilometer) westlich von Brest bei den Koordinaten 48° 10′ Nord, 16° 12′ West in den Fluten.
In einem Mix aus historischen Filmaufnahmen und Wortbeiträgen fesselt Didi Krauss seine Zuhörer in den Räumen des Nordenholzer Hofs.
Vielleicht ist es der Beitrag über die Super-Constellation, dem einstigen Stolz der Deutschen Lufthansa-Flotte, der an diesem Abend kaum aktueller hätte sein können. Nur wenige Tage alt ist die Meldung in der Presse, dass die Restaurierung der Super-Constellation (Lockheed L-1649A Super Star) in Amerika abgebrochen und sie in Einzelteile zerlegt, auf dem eigens angemieteten Frachtschiff „Industrial Dart” in eine Lagerhalle nach Bremen verfrachtet wurde. Didi Krauss berichtet über die Entwicklung vom Kauf bis zur Restaurierung der Lockheed L-1649A Super Star und die anwesenden Gäste erfahren auch, dass er und ein befreundeter Journalist dieses kühne Projekt vor mehr als zehn Jahren ins Leben gerufen haben.
Nur wenige Monate, vielleicht nur Wochen vor ihrem Erstflug kam von der Lufthansa-Leitung das endgültige Aus. Nicht nur Didi zeigte sich von dieser Wende enttäuscht, sondern auch viele Fliegerfreunde übten massive Kritik daran, dass nach geschätzten 100 Millionen Euro Investitionskosten sprichwörtlich „die Flinte zu früh ins Korn geworfen” wurde. Fachleute berichten davon, dass die Arbeiten an der Lockheed L-1649A Super Star bereits zu mehr als ca. 85% fortgeschritten waren.
Sie folgte der Ju 52, die im Jahre 2018 ein gleiches Schicksal ereilte. Geplant war, dass beide Flugzeuge zum 100. Geburtstag der Deutschen Lufthansa im Jahre 2026 als Prestigeobjekte und Werbeträger positive Schlagzeilen machen sollten.
An einen Ruhestand denkt Didi Krauss aber noch nicht. Seine große Leidenschaft gehört schon länger der „kleinen Fliegerei”. Gemeint sind die kleinen einmotorigen und historischen Flugzeuge, wozu auch die Focke Wulf 44 „Stieglitz” zählt, die er gemeinsam mit anderen Piloten besessen hat.
Sie wurde 1935 gebaut, also genau ein Jahr, bevor Didi Krauss geboren wurde. Eher bescheiden erwähnt Didi, dass er über 24000 Flugstunden als Pilot im Cockpit verbracht hat und sehr viele Flugzeugmuster fliegen durfte. Er hat dabei den Atlantik viermotorig, dreimotorig, aber auch zweimotorig und sogar einmotorig überquert.
Kaum eine bedeutende Flugschau, auf der Didi nicht dabei war. In zahlreichen Interviews zu Fernseh- und Rundfunksendungen war er bei Themen rund um die Fliegerei ein kompetenter Gesprächspartner.
Mit Stewardess „Babs” in den Hafen der Ehe geflogen
Nicht vergessen möchte ich, vom allerschönsten Erlebnis meiner fliegerischen Laufbahn zu berichten, sagt Didi Krauss.
Es war im Jahre 1970, als ich mit der Boeing 737 auf dem Flug von Frankfurt nach Bremen meine spätere Ehefrau Barbara (Babs) kennengelernt habe. „Babs” war als Stewardess an Bord und von diesem Augenblick an wurde sie zur großen Liebesgeschichte in meinem Leben, die bis heute über 41 Jahre anhält, schwärmt Didi Krauss.
Mit Hilfe der Einsatzplanung (heute macht das alles der Computer) hatte ich die Möglichkeit, dass wir dienstlich gemeinsam auf der 707 und der DC-10 die Welt erkundeten.
Mit der Geburt unserer Tochter Julia war das Eheglück perfekt – ich konnte beide gelegentlich auf der Boeing 747 mitnehmen.
Es war „Babs”, die mich bei meinen fliegerischen Unternehmungen immer unterstützt und mir den Rücken freigehalten hat und darum gebührt ihr mein ganz besonderer Dank, sagt der heute 83-Jährige Didi Krauss.
Heiko Gesierich, Kavalier der Lüfte 2018, erklärte in seiner Laudatio: „Vorgeschlagen zur Ehrung haben wir unseren neuen „Kavalier der Lüfte” besonders aber wegen seiner Liebe zu allem, was irgendwie fliegt, wegen seiner Kameradschaftlichkeit und seinem unermüdlichen, vielseitigen Bemühen für die allgemeine und kleine Fliegerei.
In den von Gerd Achgelis aufgestellten Statuten steht zu lesen: „Dieser Preis wird gestiftet, um die fliegerische Moral und Disziplin zu fördern und zu erhalten”… „Die für die Ehrung in Aussicht genommene Persönlichkeit soll charakterlich und kameradschaftlich qualifiziert sein”. Alle diese hohen Eigenschaften verbinden wir mit dem neuen „Kavalier der Lüfte” 2019, Dieter Krauss”.
Bericht von Fred Vosteen, 26. 10. 2019