Johann Twietmeyer wird zum „Kavalier der Lüfte” gewählt
Mit 75 Jahren noch einmal zurück ins Cockpit
Am zurückliegenden Freitag konnte Dr. med. Peter Krupp rund 50 Piloten und Freunde des Luftsports auf dem 49. Fliegerabend im „Vielstedter Bauernhaus” in Hude begrüßen.
Auf einem Bauernhof in Delmenhorst, in der Nähe der Focke-Achgelis-Werke, wuchs Johann Twietmeyer auf, der in den 20er und 30er Jahren immer wieder fasziniert beobachtete, wie von diesen Betriebsstätten außergewöhnliche Fluggeräte aufstiegen. Hier erlebte der junge Twietmeyer die Testflüge der ersten Hubschrauber, die unter der Bezeichnung Fw 61 und später als Focke-Achgelis Fa 61, als erste gebrauchsfähige Hubschrauber bekannt wurden.
Das beindruckte den jungen Twietmeyer so sehr, dass er im Alter von 14 Jahren eine Ausbildung als Segelflieger begann. Es war mein damaliger Klassenlehrer, der meine Begeisterung für die Fliegerei entdeckte und diese als aktiver Segelflieger auch förderte, erinnert sich Johann Twietmeyer.
In der Rückschau sei es vormilitärische Ausbildung gewesen, aber wie hätte ein 14-jähriger, vom Fliegen faszinierter Junge, das richtig einschätzen sollen. Und wie hätte er einem Lockmittel, wie der Aussicht fliegen zu dürfen, wiederstehen können.
Somit blieb es nicht aus, dass der junge Twietmeyer schon mit 17 Jahren eingezogen wurde und eine Flugzeugführer Ausbildung absolvierte.
Twietmeyer war am Ende des Krieges in englische Kriegsgefangenschaft geraten und hier musste er aufgrund seiner landwirtschaftlichen Vorkenntnisse in den schottischen Highlands bei einem Farmer arbeiten.
Twietmeyer gehörte am Ende des 2. Weltkrieges zu den wenigen Glücklichen, die unter ständigem Einsatz ihres Lebens diese Zeit ohne schwerwiegende Folgen überlebt hatte.
Nach dem Krieg fand Twietmeyer zunächst nicht wieder ins Cockpit zurück, bis zu dem Tag im Jahre 1999, an dem ein allgemein nicht alltägliches, aber flugbetrieblich gesehen, ganz normales Zufallsereignis eintrat.
Ein Flugzeug ist in unmittelbarer Nähe abgestürzt
Der einstige Flieger aus Delmenhorst, derweil im 75. Lebensjahr, seit langer Zeit in neuer Heimat, dem Ammerland, niedergelassen, vernahm die Nachricht von einem Flugzeugabsturz auf seinem Maisfeld zunächst ungläubig. Bei näherer Besichtigung der „Absturzstelle“ reckte dann ein Segelflugzeug seinen erhobenen Tragflügel über die Sichtlinie der Hecke, und daneben stand Nelly Doden, die Pilotin des Segelflugzeugs aus Bohlenbergerfeld, der beim Heimflug die Thermik ausgegangen war.
Das Gespräch, das sich nun zwischen Nelly und dem inzwischen Ex-Segelflieger und Ex-Jagdflieger entwickelte, brachte ihn wieder zurück in die Welt des Fliegens aus Leidenschaft. Mit Freuden folgte er der Einladung Nellys nach Bohlenbergerfeld und absolvierte als Fluggast das komplette Segelkunstflugprogramm zur Wiedereinführung in die Welt des Segelfliegens ganz zum Erstaunen der gesamten bohlenbergerfelder Fliegerkameradschaft, die nach der Landung ein grünes Gesicht des Fluggastes erwartet hatte. Der nämlich bestellte sich und seinem Kunstflugpiloten zu deren Verblüffung nach seinem ersten Kunstflug nach 55 Jahren erst einmal ein Bier. Ganz bestimmt erzählte er dann aus seiner Zeit als aktiver Flieger und die Bohlenbergerfelder nahmen ihn herzlich in ihrem Kreise auf.
Twietmeyers nächster Weg führte ihn dann zum „Amt“. Seine Scheine, die er dort vorzeigte, seien nicht mehr gültig, stellten die Amtsträger fest und erklärten ihm wohl ein wenig mitleidig, wie man zu einem gültigen Luftfahrerschein gelangen könnte. Also führte ihn der weitere Weg zur Fliegerärztlichen Untersuchungsstelle, die nichts gegen sein Ansinnen, wieder Flugzeuge zu führen, einzuwenden hatte. Jetzt folgte für ihn zum zweiten Male das, was jeder Flieger gut oder weniger gut in der Erinnerung hat, nämlich die Schulung in allen Fächern und alle Prüfungen bis zum Erwerb des entsprechenden Scheins.
Im Alter von 75 Jahren erwarb Twietmeyer noch einmal den Luftfahrerschein für Segelflugzeugführer und er flog anspruchsvoll bis zu seinem 88. Lebensjahr. Am Ende der fliegerischen Laufbahn als Segelflieger kamen noch einmal über 400 Starts sowie ein beeindruckender Sechsstunden-Flug in das Flugbuch des Fliegers Twietmeyer.
Auch heute noch ist nichts von der fliegerischen Leidenschaft erloschen. Vielleicht lässt uns der Text im Lied von Reinhard Mey: „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein, alle Ängste, alle Sorgen sagt man, blieben darunter verborgen und dann würde was uns groß und wichtig erscheint plötzlich nichtig und klein” teilhaben an Twietmeyers nie endender Leidenschaft vom Fliegen.
Für diese außergewöhnliche Passion wurde Johann Twietmeyer, nun im 92. Lebensjahr, mit der Auszeichnung zum 49. Kavalier der Lüfte in Vielstedt geehrt.
Fred Vosteen